Ein ganz besonderes Erlebnis

Wolfgang Rodic beherbergte zwei Schulleiter aus Burkina Faso. Ein sehr persönlicher Bericht.

Anfang Oktober weilte eine neunköpfige Delegation aus der Partnerdepartement Silly zu umfangreichen Projektgesprächen in Viernheim. Wolfgang Rodic beherbergte zwei Schuleiter aus den Orten Konamo und Silly. Hier sein Bericht über seine sehr persönlichen Erfahrungen.

„Gerade schaue ich mal wieder in meine Emails und eine erweckt meine besondere Aufmerksamkeit: „2 Schlafplätze für die Mitglieder einer (FOCUS-) Delegation aus Burkina Faso gesucht.“

Ich bin Pate bei FOCUS e. V. und schreibe ganz spontan, dass die beiden bei mir schlafen können. Geld spenden ist gut, beruhigt auch irgendwie das Gewissen, hört aber an einem Punkt auf, an dem es eigentlich spannend wird. So kann ich mal aus erster Hand erfahren, wie es dort ist, wie sie leben, wie sie arbeiten usw.

Die positive Rückmeldung kommt auch schnell – ich habe die beiden! Jetzt überlegen – wie mach ich das mit den beiden – welche Zimmer gebe ich ihnen …?

Der Ankunftstag rückt näher, die Erwartung steigt – was sind das wohl für zwei „Typen“? Waren sie schon mal außerhalb von Burkina Faso? Was muss ich ihnen evtl. erklären, was kennen sie nicht, was für uns ganz selbstverständlich ist? Ich schreibe mir ein paar Punkte auf. Was gibt es bei ihnen zuhause zum Frühstück? Weiß nicht - ich kauf mal Putenschinken (weiß ja nicht, ob sie Christen oder Moslems sind), Käse, Brötchen, Müsli, Kekse, Früchte, …

Ankunftstag: Ich hol die beiden beim Vorsitzenden Klaus Hofmann ab. Haben wohl gerade ein bisschen geschlafen und sind noch gar nicht richtig da. Stehen da in ihren Winterjacken und frieren. Unsicherheit, wie sie sich verhalten sollen und was jetzt auf sie zukommt. Beide sind überhaupt das erste Mal außerhalb Burkina Faso und das auch noch in Deutschland – ist wohl ein ziemlicher Kulturschock für sie.

Ich lade Sidibe Konombo und Pazaré Nougtara, sie sind Schulleiter in Silly und Konamo, ins Auto ein. Sie können sich gar nicht beruhigen über die schönen Häuser, die Sauberkeit und dass alles so geregelt läuft. Blitzer an der Strasse kennen sie überhaupt nicht. Amüsiert sie sehr.

Beide beziehen ihre Zimmer bei mir und ich erkläre ihnen, dass der rote Punkt Warmwasser und der blaue Kaltwasser bedeutet, dann die Voreinstellung der Duschtemperatur, warum da für jeden ein großes und ein kleines Handtuch liegt, wie funktionieren die Dachfenster …

Beide sind müde und gehen bald schlafen. Ich sage Ihnen, ich wecke sie am nächsten Morgen gegen sieben, sodass wir gegen 8 Uhr frühstücken können. Alles ok. Sidibe isst ein trockenes Brötchen mit einer Scheibe Putenschinken, Pazaré ein süßes Brötchen- was anderes wollen sie nicht!

Ich bringe die beiden anschließend ins Eine-Welt-Haus zu den anderen Teilnehmern der Delegation und schau mal zuhause in die Zimmer. Alles genauso, wie ich es am Vortag gerichtet hatte!? Wie bzw. wo haben die beiden geschlafen. Doch hoffentlich im Bett. Am Abend frage ich sie – alles korrekt, sie haben die Betten nur wieder exakt so gebaut, wie sie sie vorgefunden haben.

Der zweite Tag läuft ähnlich. Abends, wenn sie nach Hause kommen, bitte ich sie noch ins Wohnzimmer und wir unterhalten uns noch über den Tag. Meistens wollen sie aber bald schlafen gehen. Für den dritten Tag machen wir aus, dass sie um 8 Uhr selbständig zum Frühstück kommen. Punkt 8 Uhr Schritte auf der Treppe, die beiden kommen runter. Ich brauche noch 5 Minuten im Bad! Sie sind in 3 Tagen deutscher geworden als ich und freuen sich wie die Schneekönige, als ich ihnen das sage.

Inzwischen sind sie richtig aufgetaut. Wir haben viel Spaß, lachen, klatschen ab – give me five! Pazaré ist der emotionalere Typ. Er macht das dauernd. Auch ständiges Händeschütteln als Ausdruck der Freude und Dankbarkeit ist angesagt. Wir unterhalten uns über Familie, Kinder, Wohnen, Essgewohnheiten, Lebenshaltungskosten, Einkommen …

Am Samstagabend war die Gruppe auf der Mannemer Mess. Ich konnte nicht mit, weil ich Besuch hatte. Sie sind Geisterbahn gefahren und haben die ganze Fahrt auf dem Handy verewigt. Lachen, erschrecken, schreien – die totale Emotion, die wir am Abend nochmal gemeinsam erleben. Die beiden sind begeistert!

Sonntag frühstücken wir zu fünft. Gespräch über Familien, Kinder, Schule usw. Bilder anschauen, viel Spaß. Die Sonne scheint und wir machen Bilder im Garten. Tolle Stimmung.

Nach den offiziellen Antrittsbesuchen und den ersten Projektgesprächen mit dem FOCUS-Vorstand ist heute Sonntag Freizeit angesagt. Gemeinsamer Ausflug mit der gesamten Gruppe ins Schwetzinger Schloss, Technik-Museum Speyer, Imax Dome, Altstadtspaziergang und gemeinsames Abendessen im Brauhaus Speyer. Die beiden sind wieder überwältigt von den vielen neuen Eindrücken und wissen kaum, wie sie das in Worte fassen sollen.

Heute bekomme ich ein Gastgeschenk. Sie haben mir ein traditionelles afrikanisches T-Shirt mitgebracht. Ich ziehe es gleich an, um es zu präsentieren. Große Freude! Muss es aber bald wieder ausziehen – das kratzt verdammt, ist wahrscheinlich aus Jute –egal, ist eine ganz liebe Geste meiner Gäste.

Die nächsten Tage laufen ähnlich, allerdings kommen sie jetzt abends nach ihrer Rückkehr von den Meetings automatisch noch für ein Schwätzchen ins Wohnzimmer, reden, schauen noch Fußball. Sie sind jetzt schon fast Teil der Familie. Besonderes Erstaunen nach dem Besuch im Rathaus. Der Bürgermeister von Viernheim fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit!!! Unglaublich!

Kellerbesichtigung ist gewünscht, vor allem natürlich die Technik. Heizungskeller, Waschkeller usw. Mehr oder weniger alles ist unbekannt und wird bestaunt und mit dem Handy gefilmt. So läuft die Woche dann weiter. Ich nehme an verschiedenen Meetings teil. Manchmal geht’s ganz gut voran, vor allem wenn FOCUS aktiv wird, andersherum dreht sich die Diskussion oft nur im Kreis. Ist manchmal nervig, aber sicher der Mentalität geschuldet. Geduld ist gefragt. Aber der Wille, etwas in ihrem Land zu bewegen, ist bei allen erkennbar und es ist ja auch wirklich schon vieles geschafft. Hochachtung, mit welchem Engagement FOCUS sich seit 20 Jahren engagiert.

Die Woche geht langsam zu Ende. Am letzten Tag gehen wir alle nachmittags gemeinsam Mitbringsel einkaufen. Technik ist gefragt, der eine oder andere hat ein Handy für sich oder die Frau gekauft, ein paar günstige Uhren haben wir gefunden. Für die Kinder gibt’s dann Süßigkeiten. Ein FOCUS-Pate hat Tüten voll mit Gebrauchsartikeln an jeden Teilnehmer verschenkt. Ich muss dann erklären, was wo drin ist, sonst wäre wohl die Rasiercreme auf der Zahnbürste gelandet usw. Ich hab noch alte Werbegeschenke – alles ist willkommen.

Dann das Packen – oh Gott - das ganze Zeug passt ja überhaupt nicht in den Koffer. Gott sei Dank hab ich noch eine Reisetasche und einen Koffer übrig, die ich nicht mehr brauche. Erleichterung. Jetzt geht’s ans Wiegen. Zuviel Gewicht für die Koffer, die aufgegeben werden sollen. Auspacken, umpacken ins Handgepäck, immer wieder wiegen, bis wir es endlich geschafft haben. Da ist es dann auch fast Mitternacht!

Aufstehen am nächsten Morgen um 4.30 Uhr, die beiden werden um 5.30 abgeholt. Erster Anruf von Brüssel, alles mit den Koffern hat gut geklappt, kein Übergewicht. Dann am Abend Anruf aus Ouagadougou. Gut angekommen. Am nächsten Morgen Anruf von zuhause – die ganze Familie will mal mit mir sprechen. Bedanken sich tausendmal. Inzwischen jeden Tag ein kurzer Anruf aus Burkina Faso, manchmal auch tagsüber eine Email von der Frau und kurzer Austausch, dass es allen gut geht!

Ich bin wirklich froh, dass ich das gemacht habe – es war teilweise anstrengend – aber ich habe jetzt zwei Freunde in Burkina Faso, die unbedingt wollen, dass ich sie besuche und sie wollen – am liebsten mit der ganzen Familie (!) - wiederkommen.“

Weitere Infos unter focus-viernheim.de .

Bildunterschriften:

Von links: Wolfgang Rodic, Sidibe Konombo, Marita Zöller, Tonja Lützel, Pazaré Nougtara

Von links: Pazaré Nougtara, Wolfgang Rodic, Pazaré Nougtara

von links: Pazaré Nougtara, Pazaré Nougtara