Kontakt zu über 3.500 Menschen in 14 Tagen

„Mobiles Kino“ beim Projekt „Jumelage“ machte Station in 12 Dörfern der Partnergemeinde Silly

 

Noch Wochen nach seinem Aufenthalt ist dem 27-jährigen Nicolai Adamo die Freude ins Gesicht geschrieben, wenn er schwärmerisch von seinem fast dreiwöchigen Aufenthalt in dem Departement Silly erzählt. In wochenlanger penibler Vorarbeit hatte er sich um das technische Equipment beim Projekt „Jumelage“ gekümmert. Zusammen mit Sabine Ruth, Vertreterin der Stadtverwaltung Viernheim, Manfred Weidner, Vorstandsmitglied im Partnerschaftsverein FOCUS, und Daniel Weidner, verantwortlich für die Projektdokumentation, hatte er mit dem „mobilen Kino“ Kontakt zu über 3.500 Menschen in Viernheims Partnergemeinde. Gleich morgens nach dem Frühstück ging es los. Zwei geländegängige „Toyotas“ waren vollgestopft mit Laptop, Beamer, Tonanlage, Stromgenerator, Leinwänden und Gestänge in verschiedenen Größen, Verpflegung, Wasser und vielem mehr. Ziel waren die Schulen und Dorfplätze in abgelegenen Dörfern des Departements Silly.

Die Idee für diese Aktion ist bei einem Workshop mit einer afrikanischen Delegation im Jahr 2016 entstanden. Bis 2012 wurde ein reger Austausch mit den drei Dörfern Sadouin, Tonon und Névri (kurz: Satonévri) gepflegt. Durch die Erweiterung der Städtepartnerschaft kamen 2013 30 neue Dörfer hinzu. Aufgrund der Abgeschiedenheit der Ansiedlungen und der stattlichen Größe des Departements (1238 km²!) konnten viele Menschen aus den neu hinzugekommenen Dörfern nur wenig mit dem Begriff „Jumelage“ (Städtepartnerschaft / Städtefreundschaft) anfangen.

Hier setzte nun das Projekt an. Durch das „mobile Kino“ sollten die Menschen über den Entwicklungsstand und die vielfältige Ausgestaltung der „Städtepartnerschaft mit Viernheim“ informiert werden.

Im Vorfeld gestaltete es sich für die Akteure schwierig, eine geeignete Auswahl der Bilder und Botschaften vorzunehmen, die bei den Vorträgen gezeigt werden sollten. Es galt dabei, in einem wochenlangen zeitraubenden Prozess, die Inhalte der Präsentation sorgfältig auszuwählen, ohne dabei aufdringlich, bevormundend bzw. überlegen zu wirken. Dennoch sollten die Verschiedenheiten der Lebensumstände und die Probleme, die die Menschen hierzulande bewegen, deutlich werden. In der stark hierarchisch und patriarchalisch geprägten Gesellschaft von Burkina Faso lösten Bilder von Männern, die kochen und sich um Kinder kümmern, stets ein Grinsen, zeitweise sogar ein herzhaftes Lachen aus. Die meist flachen Hierarchien, das Selbstbestimmungsrecht der einzelnen Person und die weitgehende Gleichberechtigung der Frauen führten oft zu einem Kopfschütteln bei der Bevölkerung.

In einem zweiten Block kamen die vielfältigen Projekte und die Projektschwerpunkte, die die Stadt Viernheim zur Sprache. Angestrebt wird, die Bevölkerung stärker in den Prozess der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit einzubinden. Es sollte zum Ausdruck kommen, dass Projekte nur dann erfolgreich umgesetzt werden können, wenn die Bevölkerung vor Ort sinnvolle Projekte anregt, sich aktiv an der Umsetzung beteiligt und selbst die Verantwortung für den Fortbestand der Projekte übernimmt.

Die Anfahrt in die abgelegenen Dörfer mit den beiden Toyotas war stets abenteuerlich. Die ortskundigen Führer mussten den Weg quer durch den Busch suchen und verfehlten die richtige Richtung mehr als einmal. Die täglichen Anfahrtswege von der Unterkunft in die verschiedenen Ansiedlungen dauerten aufgrund nicht vorhandener Straßen zwischen 50 min (8 km) und 2,5 Stunden (50 km). Bei den abendlichen „Open-Air-Veranstaltungen“ sind meist zwischen 300 und 450 Personen aus den Dörfern der näheren Umgebung erschienen. In den Schulen konnten zwischen 180 und 240 Schüler pro Vortrag in einem Klassenraum (!) gleichzeitig informiert werden. Sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen waren zuerst sehr zurückhaltend, aber dennoch stark interessiert. Nachdem die Scheu und Zurückhaltung gewichen war, wurden die Akteure in vielen Dörfern mit Tänzen und Dankesreden gefeiert und mit lebenden Hühnern, manchmal sogar mit einer Ziege, zur Erweiterung des Speiseplans reich beschenkt.

Die Vorträge wurden von Habibou Zongo, Studentin und Mutter aus Ouagadougou und Yaro Beli, Landwirt aus dem Dorf Ya in die einheimischen Sprachen Moré und Nouni übersetzt. Die Diskussion zur Städtepartnerschaft hat nun auch in den entlegenen Ortschaften begonnen und es wird spannend sein, in welcher Weise sich der Prozess fortsetzt.

Höhepunkt der Aktionen war sicherlich der Tagesworkshop mit allen gesellschaftlich relevanten Gruppen. Zu den über 120 Teilnehmern zählten der Bürgermeister, der 1. Stadtrat, die Vertreter des Gemeindeparlaments, Vertreter der öffentlichen Verwaltung (Wassermanagement, Budgetverwaltung), das Komitee der Städtepartnerschaft, die ehrenwerten Männer (Notablen), die Direktoren der Schulen, diverse Frauengroupements und eine Vereinigung von Studenten.

Für Nicolai Adamo war es sicherlich nicht die letzte Fahrt nach Silly. Er möchte sich auch weiterhin bei dem Verein FOCUS für die Städtepartnerschaft engagieren. Die Begeisterung der Menschen, die Hilfsbereitschaft bei der Durchführung und das Improvisationstalent selbst bei verzwickten Situationen haben ihn nachhaltig geprägt.

 

Statements 

Sabine Ruth (Projektverantwortliche seitens der Stadt Viernheim): Besonders beeindruckt hat mich die Neugierde und das Interesse, das die Menschen der Präsentation entgegenbrachten. Nach dem Vortrag mündete die Begeisterung oft in ein kleines spontanes Fest mit Freudentänzen. Die Gruppe wurde mit lebenden Hühnern und Schafen zur Erweiterung unseres Speiseplans reich beschenkt.

Manfred Weidner (Projektverantwortlicher seitens des Vereins FOCUS): Obwohl ich in den letzten 20 Jahren schon oft in Burkina Faso war, ist mir erst jetzt bei diesem Projekt bewusst geworden, wie schlecht die Zufahrtswege zu den Dörfern sind und der Begriff „Sandpiste“ eher geschmeichelt ist. Manche Dörfer konnte man nur durch weite Umwege erreichen.

Nicolai Adamo (Verantwortlich für die Technik): Die Herausforderung bei diesem Projekt lag darin, dass man bei der Planung und bei der Beschaffung der notwendigen Utensilien an alle Eventualitäten denken musste. Vor Ort hatte man keine Chance, fehlende oder defekte Teile zu besorgen.

Daniel Weidner (Projektdokumentation und Technik): Es war nicht einfach, unter den äußeren Bedingungen von Hitze und Staub die Technik am Laufen zu halten. Begeistert hat mich die perfekte Zusammenarbeit zwischen uns und unserem Begleitpersonal. Ohne viele Worte langte jeder zu und half, dass unser „mobiles Kino“ innerhalb kürzester Zeit auf- und abgebaut werden konnte.